Weizen ist nicht gleich Weizen! Das möchte ich im Vorfeld dieses Vergleiches festhalten. Außerdem möchte ich gleich zu Beginn klar stellen, das dieses vs zwischen den Beiden Mehlen keineswegs eine Kampfansage ist…. kein besser oder schlechter und schon gar keine Bewertung! Es ist lediglich ein Erfahrungsbericht aus meiner Sicht.
Wozu das ganze, wird sich die Eine oder der Andere jetzt fragen. Ich bin ein großer Freund die Ressourcen die uns regional zur Verfügung stehen, auch zu nutzen. Wenn ich in meinem Garten Äpfel habe, benötige ich keine asiatischen… wenn ich Leinsaat habe, benötige ich keine Chia-Saat… wenn ich lokal Kartoffeln beziehen kann, kaufe ich keine polnischen. Dies soll die Qualität der nicht regionalen Waren in kleinster Weise schmälern. Es kann sogar sein, das ich in Schweden weit bessere Fischqualitäten zur Verfügung habe als die unserer hiesigen Seen. Fakt ist jedoch, das wir gerade hier in Mitteleuropa wie die Maden im Speck leben. Wir haben alles!!! Okay… Südfrüchte, Kaffee und Kakao sind schwierig regional zu beziehen. Filtert man jedoch all jene Rohstoffe die es in Hülle und Fülle vor unserer Haustüre gibt, würden die wenigen Spezialitäten aus Übersee nicht weh tuen!
So komme ich zu den beiden besagten Kandidaten. Das T80…. der französische Brotweizen!!! Ein charakterstarker und kräftiger Weizen der auf der Steinmühle vermahlen wird. Für mich eines der geschmacklich komplettesten Getreide. Jeder Bissen in ein knuspriges Stück Tourte de Meule lässt meine Geschmacksknospen Tango tanzen. Um ehrlich zu sein, gehört das T80 in den erlauchten Kreis meiner Big3! Big3? Das meine Freunde, sind meine drei absoluten Lieblinge. Das T80 hat seitdem ich es verbacke, einen festen Platz in Tom‘s Big3!!! Ihm gegenüber steht das deutsche Pendant. Das Weizen812. Sicherlich hätte man auch einen Weizen1050 herbei ziehen können, aber ich denke wenn man es genau nimmt ist der T80 weder das Eine noch das Andere. Wahrscheinlich kommt ihm das Schweizer Ruchmehl oder das italienische Type 1 Dunkel noch am nähesten. Darum geht es aber hier und jetzt nicht. Das Weizen812 ist fast überall in Deutschland regional greifbar und somit auch für mich die beste Alternative zum T80…. ganz unabhängig von der Qualität.
Nun gut…. was sind die wesentlichen Merkmale die ein Brotweizen ausmachen? Zum einen schimmert er viel röter als seine heller ausgemahlenen Geschwister. Das liegt am höheren Schalenanteil der während des Mahlvorganges im Mehl mit eingearbeitet wird. Dies bringt auch eine höhere ernährungsphysiologische Wertigkeit mit sich. Mehr Ballaststoffe, mehr Mineralstoffe und mehr Vitamine. Dies sind mal die markantesten Unterschiede zum Weizen550 oder zum T65. Was die Wasseraufnahme angeht, liegen die Brotweizen auch etwas vor den weißen Weizenmehlen. Trotz des gröberen Charakters der Brotweizenmehle, sind sie enorm empfindlich. Viel empfindlicher als die helleren Mehle. Gerade das T80 braucht eine lange und behutsame Behandlung ohne intensive Knetphasen. Das T80 ist sicher eines der empfindlichsten Mehle überhaupt. Woran liegt das? Nun ja…. WeizenT80 wird traditionell auf der Steinmühle vermahlen. Während dieses Mahlvorganges wird das Getreide im Gegensatz zur Walze, auf über 60°C erhitzt. Bei solchen Temperaturen kommt das Weizeneiweiß nicht unbeschadet davon was mit sich bringt, das sich die Teige eher fließend verhalten und fast an Dinkel erinnern. Hier ist Erfahrung und handwerkliches Geschick die Voraussetzung! Solch sensible Mehle benötigen auch ein sensibles Handling. An diesem Punkt liegt der Vorteil eher beim Weizen812. Es ist weitaus einfacher zu verarbeiten, knettoleranter und sehr genügsam. Der Weizen812 wird kühler vermahlen und das Eiweiß gelangt unbeschadet in den Teig. Das erlaubt eine intensivere Knetung aber auch eine tendenziell geringere Wasseraufnahme. Ich kann aus meiner Erfahrung sagen, das ein Teig aus T80 In der Lage ist, etwa 5-10% mehr Wasser aufzunehmen. An dieser stelle brauch es kein Mathegenie Zu sein um zu erkennen, das die Gebäcke aus T80 am Ende etwas saftiger sind, als die gleichen mit Weizen812 gebackenen Brote. Wenn man hier einen Wettkampf draus machen möchte…was sicher einige tuen werden, steht es nun unentschieden. Das Einsatzgebiet beider Weizen ist sehr identisch bis gleich. Einzig der Weizen812 eignet sich noch hier und da für rustikales Kleingebäck wie Vinschgauer, Römer-Semmeln oder auch Körner-Semmeln. Ich denke in diesem Fall scheitert es am schwereren Handling des T80 und an der etwas instabieleren Teigstruktur. Für all jene Hobbybäcker und Bäcker die auch etwas den Preis im Auge haben, ist der Weizen812 selbst in Bioqualität die wesentlich günstigere Variante. Wenn ich alles was ich bis jetzt an Preisen gesehen habe in einen Topf werfe und jeweils auf einen Kg-Preis runter rechne, liegt das T80 bei 1,02€ je Kg und das Weizen812 in Bioqualität bei 0,62€. Das ist ein gewaltiger Unterschied, der mich persönlich in meiner Kaufentscheidung keineswegs beeinflussen würde!!! Bei Lebensmitteln sollten wir grundsätzlich keinerlei Abstriche machen! Als weiteren Punkt sollten wir uns die Verfügbarkeit ansehen. Ich denke diesen Punkt kann man schnell abhaken. Heutzutage gibt es alles online! Online ist aber leider nicht regional. Wer also kurze Lieferwege gewährleisten möchte und seine CO2 Bilanz schonen mag, der sollte am besten zur nächsten Mühle und sich seinen Stoff dort besorgen!!! Großer Vorteil einer Mühle…??? Die haben meist auch alles an Saaten und den ganzen anderen netten Spielereien die wir Backverrückte so lieben.
Viel tiefer möchte ich jetzt gar nicht mehr gehen. Ich denke das diese Infos mehr als ausreichend sind um gerade als Hobbybäcker eine Kaufentscheidung zu treffen. Ich würde nie irgendwem ins Gewissen reden alles regional zu kaufen. Online oder Mühle… China oder Deutschland… Das muss jeder mit sich und seinem Gewissen vereinbaren. Einen Punkt… und das ist für mich am Ende einer der wichtigsten, ist natürlich der Geschmack!
Was soll ich groß sagen??? Ich möchte nicht um den heißen Brei reden!!! Das T80 ist für mich einfach unantastbar und fantastisch!! Grandios und himmlisch! Ich schätze den Weizen812 wirklich sehr, versteht mich nicht falsch. Ich für meinen Teil werde auch vermehrt den Weizen812 verarbeiten. Ich liebe den 812‘er gerade wegen seiner Genügsamkeit und seiner bodenständigen Ehrlichkeit. Einfach aus Gründen der Regionalität, reicht heut nicht als Argument. Ich beziehe bis auf wenige Ausnahmen alle meine Mehle von der Drax Mühle. Bin ich allerdings in Frankreich oder bei Bongu, knall ich mir mein Mehllager bis unters Dach voll mit meinem geliebten T80. Ich glaube das man sich durchaus den einen oder anderen Luxus erlauben kann, wenn man grundsätzlich ein sehr nachhaltiges Verhalten an den Tag legt. Was das am Ende des Tages heißt, und wie diese Nachhaltigkeit aussieht oder aussehen kann, das muss jeder einzelne für sich entscheiden!
Welche Backwaren habe ich im direkten Vergleich gegenüber gestellt?
- Tourte de Meule
- Kastenweißbrot
- Toastbrot
- Pain de Champagne
- 80/20 Roggenmischbrot
Ich denke das sind alle samt Brote, die man perfekt mit diesen Mehlen sortenrein backen kann (bis auf das 80/20). Jedes in sich stimmig und mit einer Aussagekraft.
Zum Ende darf ich euch natürlich nicht ohne Rezept gehen lassen! Hier kommt mein Französisches Landbrot.
Tom‘s Croute de ble‘:
Weizensauerteig: Teig°C 26°C – Reifezeit 12-14 Stunden im Raum (22-26°C)
175g T80 oder Weizen812
175g Wasser
18g Weizen Anstellgut
350g Weizen-Sauerteig
Autolyseteig: Teig°C 22°C – Ruhezeit 30 min im Raum oder über Nacht im Kühlschrank
500g T80 oder Weizen812
325g Wasser
825g Autolyseteig
Hauptteig: Teig°C 22°C – Mischzeit T80 10 min langsam und 1 min schnell – Mischzeit Weizen812 8 min langsam und 3 min schnell – Stockgare 60 min – während der Stockgare 2x Dehnen und Falten – behutsam aufarbeiten (am besten rund in den Gärkorb – Stückgare über Nacht im Kühlschrank (12-24 Stunden) – Backen bei 250°C fallend auf 220°C (die letzten 5 min Backzeit auf 240°C rauf stellen)
350g Weizensauerteig
825g Autolyseteig
2g Hefe
10 min (T80) bzw 8 min (812) langsam mischen
14g Salz
1 min (T80) bzw 3 min (812) schnell kneten
1,191 Kg Gesamtteig
Verantwortungsbewusstsein unseren Lebensmitteln gegenüber, ist ein wesentlicher Bestandteil des sorgenfreien Genusses! Tom the Baker